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Bundestagswahl 2021: Die Werbeausgaben von Parteien und Politikern auf Facebook

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Der Ausgaben-Tracker von Facebook zeigt, welche Partei und welche Person wie viel Werbung auf Facebook geschaltet haben. Die politische Botschaft wird dank der enormen Kenntnis von Facebook über Individuen möglichst zielgerichtet ausgespielt, so scheinen es einige politische Akteure zu sehen. Sie wollen von Microtargeting profitieren und halten den Datenschutz flach.

Einleitung

Über eine Studie der Landesmedienanstalt NRW zum Microtargeting bin ich auf den Werbebericht von Facebook aufmerksam geworden. Microtargeting ist das gezielte Ansprechen einzelner Internet-Nutzer über Werbeplattformen wie Facebook oder das Google Werbenetzwerk. Im Kontext von Wahlen ist das Ziel die Beeinflussung noch unentschlossener Wähler. Genau dies fand statt, als Cambridge Analytica für Donald Trump tätig wurde.

Die Grünen gaben innerhalb eines Monats ca. 7x mehr für Werbung auf Facebook aus als die FDP.

Ungefähre Angabe, Details siehe Betrag. Alle Angaben gemäß Facebook's Werbebericht.

Der Facebook Werbebericht enthält erstaunlich ausführliche Angaben zu Werbung, die gerade geschaltet wird. Er ist für jedermann öffentlich einsehbar. Für die bekanntesten Parteien in Deutschland kann man so ermitteln, wer wie viel Geld für Werbung ausgegeben und wie viele Anzeigen geschaltet hat. Anhand des Verhältnisses von Ausgaben zur Anzahl der Anzeigen kann der Preis pro Anzeige ermittelt werden. Dieser Preis ist per se nicht fix, sondern kann über Gebotsstrategien der Werbetreibenden Parteien bestimmt werden. Beispielsweise kann ein Maximalbetrag definiert werden oder als Strategie die Auslieferung möglichst vieler Anzeigen – koste es, was es wolle – gefahren werden.

Das größte Facebook-Werbebudget einer Einzelperson verzeichnete Christian Lindner (FDP).

Bezogen auf den betrachteten Monatszeitraum gemäß Facebook's Werbebericht.

Facebook erscheint für Werbetreibende deswegen attraktiv, weil Datenschutzgesetze nicht so genau genommen werden. So scheint es mir, denn Facebook bildet Nutzerprofile und verkauft diese Daten an Dritte, um damit einen erheblichen Teil der Gewinne zu erwirtschaften.

Wie gerade berichtet wurde, verhängte die irische Datenschutzaufsicht DPA mit Schreiben vom 20.08.2021 225 Millionen Euro Bußgeld gegen WhatsApp als Teil von Facebook. Ursprünglich wollte die DPA nur 50 Millionen Euro verhängen und musste von Dritten zu dem höheren Bußgeld veranlasst werden.

Quelle: Facebook Werberbericht, Stand: 31.08.2021.

Am 30.08.2021 erschien in der ARD eine sehenswerte Doku mit dem Titel „Wahlkampf Undercover“, die kostenfrei in der ARD Mediathek verfügbar ist (oder war). Dort wurde geschrieben, wie heutzutage Meinung manipuliert wird und dass Deutschland leider besonders betroffen ist. Insbesondere aus London werden viele Manipulationen durchgeführt.

Soviel geben deutsche Parteien für Facebook Werbung aus

Die aktuellen Zahlen laut Facebook weisen Ausgaben von über 50 Millionen Euro zugunsten von Facebook aus.

Quelle: Facebook Werberbericht, Stand: 31.08.2021.

Bevor ich meine eigenen Ergebnisse nenne, lohnt ein Blick auf eine detaillierte Studie zum Jahr 2019.

Studie zur Europawahl 2019

Meine eigene Untersuchung wurde inspiriert von der Studie anlässlich der Europawahl 2019. In dieser Studie wurde untersucht, wie viele Werbeanzeigen eine Partei auf Facebook und Google anlässlich der Europawahl geschaltet hatte.

Quelle: https://www.medienanstalt-nrw.de/fileadmin/user_upload/lfm-nrw/Foerderung/Forschung/Dateien_Forschung/Studie_Microtargeting_Germany2019EuropeanElection_Hegelich_web2.pdf.

Die Grafik zeigt auch die durchschnittlichen Kosten pro Anzeige. Die meisten Anzeigen wurden von der CDU geschaltet, und zwar sowohl auf Facebook als auch auf Google Plattformen. Die Schwesterpartei, die CSU, betrieb keine Werbung auf Google, verausgabte sich bezüglich der Kosten pro Anzeige aber auf Facebook. Eine Anzeige kostete dort im Schnitt 2252 Euro. Die CDU war am effizientesten, was die Ausgaben pro Anzeige angeht. Allerdings können diese Zahlen verfälscht sein, weil Facebook dafür alle gespeicherten Anzeigen berücksichtigt, was nicht viel darüber aussagt, ob sie ausgespielt wurden.

Sehr viele Anzeigen auf Facebook kamen auch von der SPD, die auf Google verhalten war. Insgesamt fällt auf, dass Google als Plattform für Wahlwerbung eine untergeordnete Rolle zu spielen scheint, wenn man die CDU-Aktivitäten einmal ausklammert.

Mir erscheinen die Ausgaben pro Anzeige insgesamt recht hoch. Entweder sind sie verfälscht oder die Berechnungsgrundlage sind nicht Klicks, sondern andere Kennzahlen, wie etwa der Tausend-Kontakt-Preis (TKP). Ein Klick auf eine Google Ads Anzeige, die oberhalb oder unterhalb des organischen Suchergebnisses der Google Suchmaschinen erscheint, liegt jedenfalls meiner Erfahrung nach im Bereich um einen Euro herum. Dies ist ein grober Durchschnittswert. Stark umkämpfte Suchbegriffe erreichen auch schon einmal zweistellig Euro-Beträge pro Klick.

Die Studie führt weiterhin die Impressionen an, also die Ansichten einer Werbung durch Personen (Werbeopfer).

Quelle: wie zuvor.

Auch sind die Interaktionen dargestellt, also etwa, ob ein Nutzer auf eine Anzeige geklickt hat. Die Angaben mussten normiert werden, weil die öffentlichen Zahlen von Facebook nicht genau genug waren.

Am meisten Interaktionen auf Facebook und YouTube erreichte die AfD, die für polarisierende Aussagen bekannt ist. Die meisten Impressionen hingegen konnte die CDU verzeichnen, die auf Google und YouTube weit über 4 Millionen Eindrücke erreichte und auf Facebook & Instagram mit 640.000 so viele wie die SPD. Die Interaktionen auf Facebook waren für alle Parteien nahezu gleich, mit Ausnahme der AfD. Die Grünen waren auf YouTube mit über zwei Millionen Interaktionen durch Nutzer ziemlich erfolgreich.

Die Bundestagswahl 2021

Für die aktuelle Wahl auf Bundesebene können Zahlen aus dem Ausgaben-Tracker von Facebook gezogen werden (https://www.facebook.com/ads/library/report). Meine Statistik bezieht sich auf den Zeitraum vom 30. 07. – 28.08.2021. Mithilfe eines Tabellenblatts habe ich die heruntergeladenen Daten importiert und danach für folgende Parteien durch Eingabe deren Namens gefiltert (alphabetische Reihenfolge):

  • AfD
  • CDU
  • CSU
  • FDP
  • Grüne
  • SPD

Die Linke hatte ich hier nicht berücksichtigt, was einfach mit Zeitgründen und nichts mit politischer Meinung zu tun hat. Eine grobe nachträgliche Sichtung ergab, dass sie im Budget wohl leicht unterhalb der FD bewegt.

Im Ausgaben-Tracker sind pro Werbetreibenden die Ausgaben dargestellt, beispielsweise so:

Ausgaben einzelner politischer oder gesellschaftlicher Werbetreibender für den genannten Zeitraum, Quelle: Facebook Ausgaben-Tracker.

Berücksichtigt ist dabei laut Facebook „Wahlwerbung bzw. Werbung zu politisch oder gesellschaftlich relevanten Themen“. Wie Facebook diese Kategorien bildet, habe ich nicht untersucht. Ruft man die Statistik für den maximalen Berichtszeitraum auf, hier vom 15.04.2019 bis Ende August 2021, ist das Bundesgesundheitsministerium mit knapp 2,4 Millionen Euro Werbeausgaben mit knappem Abstand vor der Bundesregierung, gefolgt von Greenpeace mit ca. 1.5 Millionen Euro, der Werbende mit dem größten Budget.

In der eben gezeigten Übersicht ist die SPD deshalb nicht genannt, weil einzelne Ortsverbände oder Politiker nicht unter dem gleichen Seitennamen auftreten und somit die Statistik segmentieren. Ausgaben, die unter 100 Euro lagen, werden von der Statistik undifferenziert mit < 100 genannt.

Filtert man die Daten nach den oben genannten Parteien, ergibt sich folgende Ausgabenstruktur. Dazu habe ich die Mikroausgaben ganz grob geschätzt und die Werte grob ausgerechnet. Sie sollen nur als Anhaltspunkt dienen und stellen keine exakten Zahlen dar (Nennung in aufsteigender Ausgaben-Reihenfolge).

ParteiWerbeausgaben (1 Monat)
CSU11.500 €
FDP53.000 €
AfD80.000 €
SPD118.000 €
CDU224.500 €
Grüne344.000 €
Ungefähre Werbeausgaben deutscher Parteien auf Facebook innerhalb eines Monats.

Die Grünen haben demnach mit großem Abstand am meisten ausgegeben, die FDP am wenigsten. Die CSU kann der CDU zugerechnet werden bzw. betreibt hier kein nennenswertes eigenes Marketing. Übrigens gab die Volt-Partei auf Bundesebene 18.597 € für Werbung auf Facebook im genannten Zeitraum aus. Die Jungen Liberalen (JuLis) wurden von mir übrigens nicht der FDP zugeordnet, weil sie als unabhängig von ihr gelten.

Es ist nicht auszuschließen, dass manche Facebook-Seitennamen nicht über den Parteinamen gefunden werden können. Beispielsweise könnte statt „Die GRÜNEN“ der Name „DIE GRUENEN“ verwendet worden sein. Dies kann für Unschärfen sorgen. Allerdings habe ich den Disclaimer, also den Financier, zusätzlich untersucht und überschlagsmäßig aufaddiert. So werden auch Treffer für den Suchbegriff „FDP“ auch Treffer für „Christian Lindner“ gefunden, weil dieser als Disclaimer die FDP angab. Leicht verfälscht wird die Statistik durch Werbung von „Grüner Mist“, gesponsert von einer GmbH, die dem Namen des Werbetreibenden nach anzunehmender Weise nicht mit den Grünen zu verbinden ist. Andererseits gibt es viele Personen, die sich selber finanzieren. Diese habe ich ab 800 € Ausgaben recherchiert und in der Ausgabestatistik der Parteien berücksichtigt.

Interessant sind die Werbeausgaben einzelner Personen, deren Budget umso höher zu sein scheint, je prominenter sie sind. Hier eine Auswahl prominenter Werbetreibender (lose Reihenfolge, gruppiert nach Partei).

WerbetreibenderWerbebudget (1 Monat)
Olaf Scholz (SPD)2.067 €
Falko Droßmann (SPD)2.656 €
Adis Ahmetovic (SPD Hannover)2.511 €
Alexander Freier-Winterwerb (SPD)2.314 €
Saskia Esken (SPD)1.212 €
Michael Sack (CDU Mecklenburg-Vorpommern)3.826 €
Katharina Pötter (CDU)2.300 €
Jens Spahn (CDU)2.078 €
Anja Karlicez (CDU)1.844 €
Julia Klöckner (CDU, über Kreisverband)323 €
Stephan Nikolaus Pilsinger (CSU)2.226 €
Anja Weisgerber (CSU)527 €
Robert Farle (AfD)7.286 €
Tim Krause (AfD)387 €
Christian Lindner (FDP)15.382 €
Sebastian Czaja (FDP)5.499 €
Volker Wissing (FDP)4.697 €
Annalena Baerbock (Grüne)1.103 €
Ausgesuchte Politik-Promis und deren Werbeausgaben auf Facebook innerhalb des ausgesuchten Monats.

Genannt sind auch weniger bekannte Politiker, die jeweils ein sehr hohes bzw. das höchste Werbebudget als Einzelperson innerhalb ihrer Partei aufweisen. Gar nicht finden konnte ich Norbert Walter-Borjans (SPD) und Armin Laschet (CDU), ebenso wenig Sahra Wagenknecht (Die Linke). Wenig überraschend, fehlt Angela Merkel (CDU) in der Statistik ebenso. Allerdings taucht Hubert Aiwanger (Freie Wähler) mit einem Budget von 5.484 € auf, der dieses aus eigener Tasche bestritten zu haben scheint. Der Parteilose Kaspar Haller zahlt seine 3.223 € auch selbst, ebenso wie SPD-Mann Alexander Freier-Winterwerb und CDU-Frau Katharina Pötter sowie CSU'ler Stephan Nikolaus Pilsinger.

Bestimmte Politiker wie Julia Klöckner (CDU) scheinen in ihrem Kreisverband Werbung zu betreiben und womöglich deshalb ein anderes Budget als erwartet auffahren. Jens Spahn (CDU) hat seine Werbung wohl selber bezahlt und nicht die Partei zur Kasse gebeten. Gleiches gilt für Robert Farle (AfD).

Ganz vorne dabei, was das Budget angeht, ist Christian Lindner (FDP), der lau Statistik von der „FDP“ gesponsert wird, also anscheinend auf Bundesebene, nicht von einem Regionalverband.

Die Statistik scheint an sich nicht ganz richtig sein zu können, weil der Filter auf dem Facebook Werbebericht nicht richtig funktioniert. Sucht man dort nach „GRÜNE“, wird nicht Annalena Baerbock angezeigt, obwohl sie dem Sponsor „BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN“ zugeordnet ist. Erst ein Suchen nach ihrem Namen hat ihren Eintrag zutage gefördert. Robert Habeck (Grüne) allerdings verzichtet auf Werbung in eigene Sache.

Details zu werbetreibenden Parteien

Wer es genauer wissen will, erhält durch Klick auf einen Werbetreibenden eine genauere Information.

Für die CDU ergibt sich folgendes Bild:

Quelle: Facebook Werbebericht (Stand: 31.08.2021).

Die FDP war nur von Deutschland aus aktiv und nicht, wie die CDU, auch noch von Österreich und Kanada aus (Standorte der betreuenden Personen laut eigener Angabe auf Facebook):

Quelle: wie eben.

Die AfD weist folgende Seitenstatistik auf:

Quelle: wie eben.

Die Grünen waren innerhalb eines Jahres fast gleichauf mit der CDU:

Quelle: wie eben.

Die SPD war auf Bundesebene in letzter Zeit höchstselbst nur untergeordnet tätig. Anscheinend waren die Regionalgruppen eigenständig tätig.

Quelle: wie eben.

Wenigstens an dieser Stelle sollen Die Linken etwas prominenter erwähnt werden:

Quelle: wie eben.

Auffällig ist die völlige Inaktivität in den letzten Tagen, der eine sehr starke Aktivität in den vergangen 16 Monaten vorausging.

Aufgrund der genannten Segmentierung der Sponsoren der Anzeigen sind die Zahlen in den eben gezeigten Seitenstatistiken wenig repräsentativ, sondern geben nur eine ungefähre Idee zu Werbeaktivitäten der einzelnen Akteure.

Cambridge Analytica

Facebook-Nutzer werden dazu animiert, Likes für Beiträge, Seiten und Nachrichten zu geben, die ihnen präsentiert werden. Aus diesen Likes können Persönlichkeitsprofile gebildet werden. Analog verläuft es auf Google Plattformen, nur dass dort andere Verhaltensmerkmale ausgewertet werden.

Spätestens seit dem Cambridge Analytica Skandal sollte bekannt sein, dass sich Personen durch ihre Likes identifizieren lassen, weil sie so abgrenzbar von anderen Nutzern und somit beeinflussbar geworden sind. Donald Trump hatte es sich zunutze machen lassen, unentschlossene Wähler durch Likes erkennen und mit Werbung bombardieren zu können.

In der o.g. ARD-Dokumentation wurde erwähnt, dass ein populäres Mittel zum Sieg das Denunzieren des politischen Gegners ist. Die Doku hat auch folgende interessante Aussage zu Likes gemacht (Quelle: Cambridge Analytica, 2012).

Je nach Anzahl der Likes, die zu einer Person bekannt sind, können Verhalten und Vorlieben der Person vorhergesagt werden. Die ARD-zitiert die e.g. Quelle wie folgt:

Anzahl Likes einer PersonDamit Bessere Kenntnis über die Person möglich als von …
10durchschnittlicher Arbeitskollege
70Menschenkenntnis eines Freundes
150eigene Eltern
300eigener Partner
500 … 2500jedem? So viele Datenpunkte waren Cambridge Analytica/Trump bekannt
Güte der Vorhersage zu einer Person abhängig von der Anzahl der bekannten Likes.

Bei Kenntnis von bereits 10 Likes ist eine gute Vorhersage möglich, die über ein oberflächliches, regelmäßiges Beobachten und Kommunizieren hinausgeht. Cambridge Analytica nutzte nicht nur Likes, sondern auch andere Datenquellen, unter anderem eine eigens für den Datenklau programmierte App.

Nach Kenntnis von 68 Likes zu einer Person war es möglich, die Hautfarbe, die sexuelle Orientierung und die politische Neigung sowie weitere Dinge mit hoher Wahrscheinlichkeit vorherzusagen. Die grundlegenden Arbeiten hierzu stammen u. a. von Michael Kosinski.

Datenschutzprobleme

Viele der genannten Werbetreibenden haben eine Facebook Fanpage. Durch diese sind sie gemeinsam Verantwortliche zusammen mit Facebook (vgl. EuGH-Urteil vom 05.06.2018 – C‑210/16, Facebook Fanpages). Darüber werden bereits Zielgruppendaten gesammelt.

Gelegentlich wird der Facebook Pixel auf Wahlkampf-Webseiten ohne Rechtsgrundlage verwendet wird, um Microtargeting zu begünstigen. Hier ein Beispiel einer m. E. rechtswidrigen Einwilligungsabfrage, die die Informationspflichten gemäß Art. 13 DSGVO stark vernachlässigt (vgl. auch meine Checkliste):

Einwilligungsabfrage auf christian-lindner.de, rote Unterstreichung von mir. Die Liste der Anbieter erscheint erst nach Klick auf Link (Stand: 06.09.2021).

Ob Daten von Datenhändler gekauft wurden, um Kampagnen zu unterstützen, ist kaum zu prüfen. Wahlkampf-Apps bekannter Parteien verwenden immer wieder Tracking Dienste oder fragen den Standort des Nutzers ab, ohne dass dies technisch notwendig wäre (Testberichte von Appvisory, hier nicht verlinkt, weil deren Webseite mir datenschutzrechtlich fragwürdig erscheint). Anzunehmenderweise fließen die Standortdaten und generell die Tracking-Daten von Facebook-Trackern, in die Facebook-Kampagnen ein.

In einem Gutachten des EuGH (26. 07. 2017 – ECLI:EU:C:2017:592, Rn. 140) wird festgestellt, „dass sich die Ausnahmen und Einschränkungen in Bezug auf den Schutz personenbezogener Daten auf das absolut Not wendige beschränken“. Das berechtigte Interesse als Rechtsgrundlage für Microtargeting bei Wahlwerbung scheidet somit regelmäßig aus.

Fazit

Mithilfe von Likes kann das Leben einer Person durchleuchtet werden. Die Daten dazu stehen überwiegend Facebook selbst zur Verfügung. Jeder Nutzer von Facebook trägt dazu bei, den Datenschatz dieses Konzerns weiter zu vergrößern und fragwürdige Meinungsbildungsprozesse zu fördern.

Werbetreibende verwenden häufig den Facebook Pixel, um Zielgruppen zu bilden, die als Audience bezeichnet werden. Um möglichst viele Daten zu erhalten, wird oft auf die lästige, gesetzlich vorgeschriebene Einwilligungsabfrage verzichtet oder diese so gestaltet, dass eine Einwilligung abgenötigt wird.

Aktivitäten auf Facebook machen jeden Nutzer gläsern und beeinflussbar.

Meine Erkenntnis nach Auswertung der Möglichkeiten.

Dass die Bank RaboDirect Deutschland in den letzten Wochen Ausgaben von 5.799 € für Werbung getätigt hat, lässt sich nicht in Einklang bringen mit der Aussage auf deren Webseite, dass der Geschäftsbetrieb wegen der Marktlage Ende 2021 eingestellt werden wird. Dies sei nur als reine Beobachtung genannt.

Facebook unterstützt Werbetreibende dadurch, dass zu einer hochgeladenen Zielgruppe ähnliche Personen aus den vielen Millionen anderer Facebook-Nutzer gewonnen werden können. Dies wird als Lookalike Audience bezeichnet.

Ich sehe Facebook als unseriöse Plattform an, die zuerst gewinnmaximierend arbeitet. Das Beispiel des Cloaking demonstriert diesen Vorwurf. Cloaking ist ein Verschleiern von Betrugsinhalten. Dabei wird eine Werbeanzeige harmlos ausgeliefert, während sie von Facebook geprüft wird. Nach Genehmigung der Anzeige durch Facebook wird hingegen ein krimineller oder zumindest unseriöser Inhalt ausgeliefert. Ein Artikel von AlgorithmWatch beleuchtet Cloaking näher. Auch eine mögliche Diskriminierung durch Facebook beim Ausspielen von Anzeigen hat AlgorithmWatch untersucht.

Datenhändler wie Axciom, Gravy Analytics oder Experian bieten den Kauf von Audiences an, wie auch die ARD in der genannte Dokumentation berichtete. Damit kann für Geld eine Werbezielgruppe erkauft werden, die dann manipuliert werden kann. Besonders übersichtlich stellt der Adobe Audience Finder Zugang zu Anbietern von Daten zur Verfügung. Wie Netzpolitik berichtete, gelangen Nutzerdaten über Apps an US-Polizeibehörden und können auch öffentlich eingekauft werden, um Daten zu de-anonymisieren.

Zum eigenen Nachforschen, hier der Download des Werbeberichts von Facebook im CSV-Format. In Excel kann der Inhalt am besten wie folgt importiert werden: Neue Arbeitsmappe anlegen, Menü Daten → Aus Text, dann die CSV-Datei wählen und als Trennzeichen das Komma angeben.

Wer schreibt hier?
Mein Name ist Klaus Meffert. Ich bin promovierter Informatiker und beschäftige mich seit über 30 Jahren professionell und praxisbezogen mit Informationstechnologie. In IT & Datenschutz bin ich auch als Sachverständiger tätig. Mir sind juristische Gegebenheiten nicht fremd. Meine Ergebnisse gewinne ich durch Betrachtung von Technik und Recht. Das scheint mir absolut notwendig, wenn es um digitalen Datenschutz geht. Über Ihre Unterstützung für meine Arbeit würde ich mich besonders freuen. Als Geschäftsführer der IT Logic GmbH berate ich Kunden und biete Webseiten-Checks an.
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Kommentare von Lesern

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  1. Lacrosse

    Sehr interessanter Artikel. Allerdings ist es nicht ganz korrekt, dass (…) Personen durch ihre Likes identifizieren lassen (…). Denn der Zweck ist letztlich nicht die Identifkation von Personen, sondern von z.B. politischen Einstellungen bzw. "Beeinflusbarkeit". Abhängig davon, was geliked wurde bzw. wie häufig, ist eine Segmentierung von Personen zu einer bestimmten (ggf. politischen) Meinungsgruppe / Tendenz möglich. D.h. es wurden pbD, wie politische Einstellung oder psychologische Merkmale (OCEAN-Modell) aus den Likes abgeleitet. Durch die Datenmodelle und deren Datenpunkte lassen sich dann z.B. auf Facebook (lookalike audience) Nutzer*innen mit gleichen oder ähnlichen Merkmalen per Mikrotargeting gezielt mit politischen Botschaften ansprechen.

    • Dr. DSGVO

      Vielen Dank für Ihre Rückmeldung.
      Sie haben Recht. Es geht im Wesentlichen um die Erkennung politischer Einstellungen oder um die Beeinflussung von Personen.
      Allerdings wird ein Personenbezug auch dann gesehen, wenn eine Person von anderen Personen abgrenzbar ist (siehe Artikel 29 Gruppe, Vorgänger des Europäischen Datenschutzausschusses).

      Ich sehe Ihren Hinweis als Konkretisierung und nicht als Widerspruch zu meiner Aussage an und ergänze meinen Artikel entsprechend. Danke.

      • Lacrosse

        Sie haben natürlich Recht, dass ein Personenbezug besteht. Art. 4 Nr. 1 DSGVO spricht von Merkmalen, die eine Personen identifizierbar machen. Meine Konkretisierung (wäre die bessere Wortwahl gewesen), bezog sich auf den Verwendungszweck (was ist das Ziel?) / Vorgehensweise. Wäre die Identifikation einer Person das Ziel, hätte diese Person (als solches) eine gewisse "Wertigkeit". Datenmodelle reduzieren Menschen letztlich auf ihre abgeleiteten Merkmale – diese Datenanalyse war das Geschäftsmodell der SCL-Gruppe (CA war eine Tochter).

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